Georg Schnath schrieb in seinem Göttinger Tagebuch zu einer Werbeversammlung der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) für Akademiker am 7. Januar 1919:
(...) Ein so geringes Maß von gegenseitigem Verständnis, von Taktgefühl, von Achtung vor der Meinung Andersgesinnter, von Würde und Besonnenheit hätte ich nimmer für möglich gehalten. Aber was sollte man von jungen Akademikern erwarten, wenn schon ein Mann wie Professor Willrich (als Offizier und Lehrer einer der bestgehaßten Männer Göttingens - Hugo Willrich, Dr. und Honorarprof. für alte Geschichte und Oberstudienrat MPG, 1877-1960) mit einem infamen antisemitischen Ausfall gegen die Vorsitzende, ein Fräulein Strelitz (Paula Strelitz, Studentin, Mitglied der DDP und des Pol. Vereins freiheitlich gesinnter Akad.), hervortrat! Unablässige Zwischenrufe und andere Kundgebungen steigerten die Erregung der scharf geschiedenen Parteien derart, daß man jeden Augenblick Tätlichkeiten erwartete. (...)
Zwei Tage nach der Versammlung erschien ein Leserbrief Willrichs dazu im Göttinger Tageblatt unter dem Titel "Offener Brief an Fräulein Strelitz":
In der Akademiker-Versammlung vom 7.1.19 habe ich mein Befremden darüber ausgesprochen, daß statt eines Jungen Teutonen "eine Rose von Jericho" die Versammlung leitete. Ich bitte Sie, diesen
Ausdruck in der Erregung über die eigentümliche Art, in welcher der Herr Vortragende mit der deutschen Geschichte umsprang, entschuldigen zu wollen. Es hat mir die Absicht, Sie persönlich zu
verletzen, durchaus fern gelegen, und ich spreche mein Bedauern aus, falls Sie sich durch die Form meiner Bermerkung gekränkt gefühlt haben sollten. Sachlich muß ich aber auf dem Standpunkt
stehen bleiben, daß ich für die Leitung einer Akademiker- Versammlung an einer deutschen Universität eine junge Dame jüdischer Abkunft nicht als berufen anerkennen kann; und ich halte mich auch
für berechtigt, das gegenüber dieser Dame, die nun einmal auf den politischen Kampfplatz getreten ist, auszusprechen.
In größter Hochachtung
Prof. Hugo Willrich